Siehe auch: Didaktisches Design und die Transformation von Wissen im digitalen Zeitalter und den Hintergrundbeitrag dazu: Diskussion (Juni 2012)
9.8.2008
Wie können Medien das Lehren und Lernen unterstützen ? Welche Medien sind in welcher Lernsituation besonders hilfreich? Welche Lehr-und Lernszenarien eignen sich für das mediengestützte Lernen?
Foto: Shira Golding
Um derartige Fragen kompetent beantworten zu können, bedarf es eines umfassenden Wissens darüber, wie Menschen lernen. Es spielen vor allem Fragen der Gehirnforschung und der Neurobiologie sowie der Lehr-Lernforschung eine Rolle, Fragen, die sich damit auseinandersetzen, was Menschen lernen sollen (Fachwissenschaften, Bildungstheorie, Allgemeine Didaktik, Fachdidaktiken) und warum (Werte-Bildung) und vor allem Fragen der sozialen Interaktion. Das wissenschaftliche Arbeitsfeld, in dem entsprechende Fragen in einem ganzheitlichen Sinne behandelt werden, ist die Allgemeine Didaktik. Aktuelle Entwicklungen an den Universitäten sehen solche Fragestellungen zukünftig auch in den Vermittlungswissenschaften angesiedelt (siehe: Welbers, 2003).
Die Mediendidaktik bewertet vor diesem allgemein-didaktischen Hintergrund technische Funktionen und gesellschaftliche Bedeutung einzelner Medien und sucht Antworten auf die Frage, „wie Medien bzw. Medienangebote oder Medienbeiträge zur Erreichung pädagogisch gerechtfertigter Ziele gestaltet und verwendet werden können ..“ (Tulodziecki/Herzig, 2004, S. 249).
Ein Blick auf die Diskurse des E-Learnings, einem wichtigen Feld der interdisziplinär ausgerichteten Mediendidaktik, zeigt, dass dort allgemeindidaktische Begründungszusammenhänge nicht sonderlich ernst genommen werden. E-Learning wird vielmehr als prinzipielle Innovation angesehen, die im Vergleich zu traditionellen Formen des Präsenzlernens durch bessere Lernerfolge gekennzeichnet ist. Begründet werden entsprechende Positionen mit Erkenntnissen aus den gängigen Lerntheorien (Behaviorismus, Kognitivismus, Konstruktivismus). Eine Vielzahl wissenschaftlicher Studien deuten jedoch darauf hin, dass „Lernerfolg eher unabhängig ist von dem gewählten Mediensystem“ (Kerres, 2007, S.3; siehe hierzu auch: Tulodziecki, 2004, S.81 oder: Schulmeister, 2007, S.363).
Die weitgehende Einengung des Begründungszusammenhangs des E-Learnings auf die bekannten Lerntheorien, wie auch der selten klar zu definierende Mehrwert führen dazu, dass ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer, wie auch Lehrende an den Universitäten aktuelle E-Learning-Konzepte nur schwer in ihre Lehrveranstaltungen integrieren können. Denn Lehrende stehen keinesfalls einer Gruppe von systematisch kategorisierten Gehirnen gegenüber. Stattdessen sind es auf der einen Seite reale Menschen mit jeweils unterschiedlichen Dispositionen und Voraussetzungen und auf der anderen Seite Inhalte, differenziert und fachspezifisch fundiert, mit ihren wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Wirkzusammenhängen. Formal eingebunden in eine Bildungsinstitution, wird den Lehrenden hier ein ganzheitliches Handeln abverlangt, das weder durch aktuelle E-Learning-Konzepte noch durch die bekannten Lerntheorien erklärt wird.
So bedarf es der Einbettung der Mediendidaktik (und des E-Learnings) in einen allgemein-didaktischen Kontext, welcher Maßstäbe dafür bereitstellt, ganzheitliche Haltungen gegenüber Lernenden einnehmen zu können. Erkenntnisse aus Bildungstheorie, der Lehr-Lernforschung, aus Gehirnforschung, Neurobiologie und den Erziehungswissenschaften müssen heruntergebrochen werden auf praxistaugliche Strukturen, Methoden, Aktions- und Sozialformen, die dem Lehrenden genügend Gestaltungsmaterial für die konkrete Komposition einer Lehrveranstaltung bieten. Medien sind in diesem Zusammenhang erforderliche Hilfsmittel, die die Kommunikation zwischen Lehrenden und Lernenden sowie die Kommunikation der Lernenden untereinander unterstützen: nicht mehr und nicht weniger. Starke Vorbilder für ein derartiges Verständnis von Lehren finden sich in der Reformpädagogik (z.B. Dewey, 1993), in der Konstruktivistischen Didaktik (siehe: Reich, 2006) und in der von Wolfgang Klafki begründeten Bildungstheorie (Meyer/Meyer, 2007).
Bleibt die Frage, wie sich aktuelle, gesellschaftlich relevante Medien mit dem breiten Spektrum etablierter Methoden der Allgemeinen Didaktik sinnvoll verknüpfen lassen. Hier eröffnet sich ein Innovationspotenzial, dessen Auswirkungen die Errungenschaften von E-Learning und Blended Learning deutlich in den Schatten stellen könnten, denn falls diese Verknüpfung real werden sollte, wäre mit einer deutlich höheren Akzeptanz an der Basis der Bildungsinstitutionen zu rechnen als dies beim E-Learning der Fall ist. Klar wäre dann natürlich auch, dass nicht die Technologie die Marschrichtung vorgibt, sondern die etablierten Methoden einer emanzipatorischen Pädagogik.
In diesem Blog werde ich mich bemühen, Fakten zusammenzutragen, Diskussionen anzuregen und zu führen, die entsprechende Ressourcen der Pädagogik wiederbeleben und mit aktuellen Entwicklungen in der Medientechnologie verknüpfen. Ziel ist es mittelfristig, eine Community aufzubauen, die personell und institutionell das hier nur kurz angerissene Verständnis von Mediendidaktik aufgreift und weiterentwickelt.
Literatur
- Dewey, J. (1993). Demokratie und Erziehung (Jürgen Oelkers, Ed.). Weinheim und Basel: Beltz.
- Kerres, M. (2007). Mediendidaktik. In F. von Gross, & K. – U. Hugger (Eds.), Handbuch Medienpädagogik. Wiesbaden: VS Verlag.
- Meyer, M. A., & Meyer, H. (2007). Wolfgang Klafki – Eine Didaktik für das 21. Jahrhundert ? Weinheim und Basel: Beltz Verlag.
- Reich, K. (2006). Konstruktivistische Didaktik. Weinheim und Basel: Beltz.
- Schulmeister, R. (2007). Grundlagen hypermedialer Lernsysteme. München: Oldenbourg Verlag.
- Tulodziecki, G., & Herzig, B. (2004). Mediendidaktik: Medien in Lehr- und Lernprozessen. In Handbuch Medienpädagogik (Vol. 2). Stuttgart: Klett-Cotta.
- Welbers, U. (2003). Vermittlungswissenschaften – Wissenschaftsverständnis und Curriculumsentwicklung. Düsseldorf: Grupello.
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